Im Herbst 2019 erschien der Spiegel Bestseller Mutter. Sein. von Susanne Mierau. Ein Plädoyer dafür, dass Mutterschaft letztlich ein soziales Konstrukt ist, dass wir als Gesellschaft zwar nach wie vor in traditionellen Geschlechterrollen verhaftet sind – dies belegen auch empirische Studien (z.B. Valiquette-Tessier, Vandette & Gosselin, 2015), dass Mütter jedoch nicht automatisch das bessere Elternteil sind, nur weil sie Mütter sind.
Die traditionellen Geschlechterrollen wiegen jedoch schwer, denn in der Regel sind Frauen noch immer überwiegend für die Care-Arbeit und Männer für die (finanzielle) Versorgung der Familie zuständig. Auch unsere Studie bestätigt dies*: während 47.4 % der Frauen 12 Monate Elternzeit nahmen, taten dies lediglich 3.3 % der Männer, der Großteil von ihnen (43.8 %) nahm die klassischen zwei Vätermonate. Auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung kommt zu dem Schluss, dass der Anteil an Vätern, die im ersten Lebensjahr des Kindes Elternzeit nehmen, zwar in den vergangenen Jahren gewachsen aber im Vergleich zu den Müttern gering ist (DIW Berlin, 2019).
Wir haben in unserer Studie* ebenfalls erhoben, wer sich in den ersten drei Lebensjahren voraussichtlich um das Kind kümmern wird: 31.9 % der Mütter gaben an, dass sie sich etwas mehr um das Kind kümmern werden und 49.3 %, dass sie hauptsächlich für die Versorgung zuständig sein werden. Diese Aussagen unterschieden sich ein wenig von denen der Männer: hier gaben 45.1 % an, dass sich die Mutter etwas mehr kümmern und 38.5 %, dass sich hauptsächlich die Mutter kümmern wird. Es zeigte sich aber auch, dass nur in sehr wenigen Fällen (< 4 %) ausschließlich ein Elternteil für die Versorgung des Kindes zuständig sein wird. Der Blogger Christian Gaca greift zudem die berechtigte Frage auf, ob wir gegebenenfalls nicht etwas zu kurz greifen, wenn wir unser Urteil über Vaterschaft lediglich auf die Versorgung in den ersten Lebensjahren des Kindes beschränken, weil Vaterschaft schlicht mehr beinhaltet als dieser eher kurze Zeitabschnitt (von guten Eltern, 2019).
Aber was macht denn eigentlich Vaterschaft aus? In einem experimentellen Ansatz untersuchten Lamberty und Imhoff (2019) die Annahme, dass bei One-Night-Stands die Zuschreibung der Verantwortung von Vaterschaft größer ist als bei einer Samenspende. Letztlich also, dass Vaterschaft mehr ist als die Weitergabe von genetischem Erbgut, denn das ist in beiden Szenarien der Fall. Diese Annahme konnte in vier Studien bestätigt werden. Warum wir jedoch Vätern bei einer Samenspende weniger Verantwortung zuschreiben als bei einem One-Night-Stand, konnte durch die Studien nicht abschließend geklärt werden. Ein Grund könnte in der Intention der Frau liegen schwanger werden zu wollen. Denn in einer der vier Studie untersuchten die Autoren*innen auch, ob die Verantwortung der Vaterschaft als größer wahrgenommen wird, wenn es sich um einen reinen One-Night-Stand handelt als wenn das Ziel des One-Night-Stands darin liegt, dass die Frau schwanger wird (ohne dass der Vater dafür später in Verantwortung gezogen wird). Hier zeigte sich, dass Vätern tatsächlich mehr Verantwortung zugeschrieben wird, wenn es um den sexuellen Aspekt des One-Night-Stands geht. Liegt die Intention der Frau im Schwanger werden, so Lamberty und Imhoff, könnte das Verhalten des Mannes als Gefallen bewertet werden und ihn damit moralisch von seiner Verantwortung befreien.
Letztlich wissen wir noch eher wenig darüber, was die Wahrnehmung von Vaterschaft ausmacht. Ein interessantes Nebenergebnis der Studie von Lamberty und Imhoff (2019) ist, dass Versuchspersonen, die Vaterschaft als wichtig ansehen, Vätern generell eine größere Verantwortung zuschreiben. Dies verdeutlicht, dass bei der Zuschreibung der Verantwortung auch eigene Werte eine Rolle spielen, die neben den eher allgemeineren sozialen Normen und Stereotypen Wirksamkeit zeigen. Obwohl Stereotype in gewissen Umständen eine adaptive Funktion haben und ein Stück weit auch hilfreich sind, um in unserer komplexen Umwelt zurecht zu kommen, würden wir in Hinblick auf Elternschaft sicherlich davon profitieren, die bestehenden Stereotype zu durchbrechen: Für mehr Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau und vermutlich auch für die Vater-Kind-Bindung. Dabei könnten es Männer etwas leichter haben als Frauen, denn Valiquette-Tessier und Kolleginnen (2015) kommen in einer Zusammenfassung verschiedener Studie zu dem Schluss, dass Stereotype über Väter flexibler sind als Stereotype über Mütter.
Referenzen:
DIW Berlin Pressmitteilung vom 28. August 2019, https://www.diw.de/de/diw_01.c.673478.de/elterngeld_und_elterngeld_p…wie_vor_in_weiter_ferne.html
Lamberty, P. & Imhoff, R. (2019). From sperm to fatherhood – an experimental approach to determinants of paternal responsibility. Archives of Sexual Behavior, 48, 2217-2228.
Mierau, S. (2019). Mutter. Sein. Von der Last eines Ideals und dem Glück des eigenen Wegs. Beltz Verlag. Weinheim Basel.
Valiquette-Tessier, S. C., Vandette, M. P., & Gosselin, J. (2015). Is family structure a cue for stereotyping? A systematic review of stereotypes and parenthood. Journal of Family Studies, 22, 162-181.
Von guten Eltern Blogeintrag vom 2. Oktober 2019, https://www.vonguteneltern.de/moderne-vaterschaft-mit-und-ohne-elternzeit/
[*Die dargestellten Inhalte beziehen sich auf Ergebnisse der Studie Mindset, Partnerschaft und Geburt.]
Super!